Unbekanntes Wrocław: der Hauptbahnhof - eine Perle der Bahn

Data aktualizacji: 2016-10-18

Dieser Ort wird täglich von Tausenden Menschen aufgesucht, verbirgt dennoch in seinem Inneren jede Menge Schönheit und Geheimnisse. Diese Woche haben wir Ecken besichtigt, in die sich die Reisenden am Hauptbahnhof Wrocław meistens nicht verirren.

Neben Bereichen, die allgemeinzugänglich sind, verstecken sich dort wahre Architekturschätze, traumhaft verzierte Säle und außergewöhnliche Treppenhäuser, die in die oberen Geschosse des Gebäudes führen. Der Umbau der Bahnhofshalle hat zwar die Erzählungen über unterirdische Gänge, welche die Fantasie der Schatzsucher beflügelten, endgültig in den Reich der Legenden geschickt, dennoch kann das, was dort während der Renovierungsarbeiten entdeckt wurde, diesen Verlust wieder gut machen.

Fast 7 Millionen Ziegelsteine

Der Wrocławer Hauptbahnhof wurde in den Jahren 1855-57 nach Plänen des königlichen Baumeisters Wilhelm Grapow im Stil der sog. Tudorgotik erbaut. Außergewöhnlich im Hinblick auf den Stil und das Ausmaß. Für den Bau wurden 6 774 000 Ziegelsteine, 94 000 Hohlblocksteine, 120 000 Profilsteine, 124 600 Kubikfuß Kalk, 1100 Tonen Portlandzement, 425 Tonen Gips, 2333 Kubikruten Bausand verwendet, die Kosten des gesamten Vorhabens lagen bei einer für damalige Zeiten astronomischen Summe von 449 000 Talern, nicht mitgerechnet die Innenausstattung aus Möbeln und Beleuchtung, für die weitere 26 400 Taler ausgegeben wurden.

Es gibt zwar keine unterirdischen Schatzräume, aber...

In der zweiten Hälfte der 30er Jahre wurden am Bahnhof  ein Luftschutzkeller errichtet. Der erste entstand entlang der heutigen ul. Sucha. Den zweiten wiederum, der über einen Verbindungstrakt mit dem Hauptgebäude verfügte, hat man unter dem Bahnhofsplatz angebracht.

Nach dem Krieg rankten sich um die Schutzkeller zahlreiche Legenden. Es wurde erzählt, dass sie bis zu 7 Stockwerke unter der Erde haben. Einige behaupteten, dass sich unter dem Bahnhof ein zweiter unterirdischer Bahnhof befinden soll, von dem man die Schätze aus Wrocław abtransportiert hat. Im Zuge der Umbau- und Grabungsarbeiten am und im Bereich des Bahnhofsgebäudes konnten diese Legenden hinsichtlich ihres Wahrheitsgehalts überprüft werden. Die Forscher haben mehrere Dutzend Öffnungen gebohrt, die sogar bis zu einer Tiefe von 20 m reichten. Mithilfe von weiteren Bohrungen untersuchte man auch den Grund bis zu 5 m unter dem Boden des Luftschutzkellers. Gefunden hat man nichts. Ähnlich während der Abrissarbeiten des vor dem Bahnhofsplatz gelegenen Luftschutzkellers, die mehr als ein halbes Jahr gedauert haben. An Stelle des ehemaligen Schutzraumes entstand eine Tiefgarage.

Kostbare Funde an Decken und Wänden

Die im Bahnhofsgebäude tätigen Restauratoren haben zahlreiche kostbare Funde entdeckt, diese haben auch wir zu sehen bekommen. Zu den spannendsten Entdeckungen gehören Deckenmalereien in dem – wie es sich später herausgestellt hat – Kaisersaal, dessen Existenz niemand für möglich gehalten hat. Betritt man den Saal, wandert der Blick automatisch nach oben. Die Malereien verlocken mit ihrem Muster, der Farbe und Harmonie. Der Kaisersaal im östlichen Bahnhofsbereich wurde für die Ankunft Kaisers Wilhelm II. und seiner Gattin Auguste Viktoria anlässlich der so genannten Kaisertage im Jahr 1906 vorbereitet.

Zu den bemerkenswerten Elementen dieses Bahnhofsbereichs gehören auch das historische Treppenhaus und die Wände, auf denen gemalte, in florale Motive mit Akanthusblättern eingefügte Kaiseradler restauriert wurden. Eine Besonderheit bildet die hölzerne, aus vier Teilen bestehende Decke. Alle Deckenteile werden von einer mit vier Kaiseradlern bemalten Säule aufgefangen. Im oberen Bereich der Säule, im Deckenfeld, finden sich vier Engelgestalten, die von der Sonne umrahmt, auf roten Kissen die Herrschaftsinsignien präsentieren: Krone, Schwert, Zepter und Apfel. Ebenfalls an der Decke wurden die Wappen angebracht: zentral positioniert (an jeder Seite der Decke) sind die vier Wappen der Königreiche Preußen, Bayern, Sachsen und Württemberg. Die übrigen sechzehn sind Wappen der Herzogtümer. Im Vorraum fand man einen deutlichen lokalen Akzent, den die Historiker in die Zeit vor 1871 datieren. Es sind zwei schwarze Adler des Königreiches Preußen, mit den Initialen FR (Fredericus Rex) an der Brust. Etwas tiefer befinden sich zwei Wappenschilde mit dem Buchstaben W (Wrocław) und dem Adler der Provinz Schlesien.

Entdeckungen, wo sie niemand vermutet hätte

Während der Restaurierungsarbeiten entdeckte man, dass die 155 jährige Kassettendecke im Sezessionssaal nicht, wie bisher allgemein bekannt war, aus Holz sondern aus Zinkblech errichtet wurde. Die Decke entstand in einem Walzwerk in Kattowitz/Katowice, verantwortlich für diesen geschickten Trick, der die Decke "hölzern" aussehen lässt, war vermutlich der Maler H. Vogel von der Firma Rumsch. Er verzierte die Decke mit Maserungen - einer aufgemalten Dekoration, in der mit einem harten Pinsel eine Nachahmung der Jahresringe, die sich in verschiedene Richtungen ausbreiten, erzeugt wurde.

Es war nicht der einzige spannende Fund in diesem Raum. Die Restauratoren fanden in der Decke des unteren Bereiches des Sezessionssaals ein Brett, das auf Renovierungsarbeiten kurz nach dem Krieg hindeutet. Der dort angebrachten Inschrift zufolge haben am 6. Juni im Sezessionssaal drei Personen gearbeitet: "w roku 1946 tu robił Ludwik Kubala, Jan Wis - Polacy i tego dnia byli zwolnieni z pracy...i jeden Dushe Rozbigan Paul" (im Jahr 1946 waren hier tätig Ludwik Kubala, Jan Wis - Polen und an diesem Tag wurden entlassen... sowie ein Deutscher Rozbigan Paul". Der Inschrift nach stammten Ludwik Kubala und Jan Wis aus Kraków.

Werbeschilder, Sezession der Vitrine und explosive Überraschungen

Am Wrocławer Bahnhof gab es während der Renovierungsarbeiten noch mehr Funde. Im Sommer 2010 haben die Handwerker bei Abrissarbeiten Fragmente von Jugendstil-Kassenvitrinen vom Anfang des 20. Jh. gefunden. In Anlehnung an die umfangreiche Ikonographie konnten zwei hölzerne Jugendstilvitrinen in der Werkstatt eines Wrocławer Schreiners rekonstruiert werden. Wo es möglich war, hat man restaurierte Originalfragmente verwendet, die natürlich in die Bahnhofshalle zurückgekehrt sind.

Während der Arbeiten im Erdgeschoss des Hauptrisalits entdeckte man zwei Werbeschilder aus den 30er Jahren des 20. Jh. Das erste von ihnen zeigte einen Jungen in Soldaten- und Matrosenuniformen und warb für den Kauf der Kleidung der Firma Bleyle (diese Firma gibt es immer noch). Das zweite war Werbung für das Nordhotel, das in der Gartenstraße lag (heutige ul. Piłsudskiego). Beide Werbetafeln sind nicht mehr zu sehen, sie wurden gesichert und anschließend wieder verdeckt.

Die Bahnsteige und Unterführungen, sowie der renovierte Bahnhofsplatz verbergen ebenfalls viele spannende Details. Auf den Bahnsteigen zum Beispiel, wo wir auf den Zug warten, wurden originelle Drachenköpfe wiederhergestellt. Sie wurden von einem Schmied nach Vorlage eines Originals vom Bahnsteig Nr. 5 geschmiedet. Besucht man den Bahnhof, sollte man auch die kleinen Freunde Wrocławs, die Zwerge, beachten. Man kann dort sogar drei von ihnen finden. Der Bahnhof ist auch mit originellen Neoninschriften dekoriert, u.a. "kasy biletowe" (Fahrkartenschalter) und die riesige Inschrift "Wrocław Główny" (Wrocław Hauptbahnhof). In den Unterführungen kann man auch deutsche Inschriften und Breslauer Wappen entdecken, am Ende der Bahnhofshalle befindet sich eine stimmungsvolle deutsche Pumpe, mit der man die Dampfloks mit Wasser auffüllen kann.

Auf der Grundlage des Artikels von Bartłomiej Sarna, PKP S.A. (bearbeitet von JK)

Zdjecie Janusz Krzeszowski

Janusz Krzeszowski