Auf der Suche nach Spuren der Vorfahren in Wrocław

Data aktualizacji: 2016-09-28

Fast jeden Tag bekommt unsere Redaktion Emails aus dem Ausland mit Fragen nach Informationen über Großeltern oder Urgroßeltern, die vor dem Krieg in Wrocław lebten. Die Anfragen sind auf Deutsch, Englisch und sogar auf Französisch. Die Verfasser möchten wissen, wo man die Straße oder Gebäude finden kann, in denen ihre Vorfahren lebten, bzw. deren Grabstätte oder einfach irgendetwas über diese Personen erfahren – oft kennen sie nur das Geburts- und das Sterbedatum dieser Verwandten.

Ein Absender mit dem Namen Carl Swanback fragt, ob sich der Tod seines Großvaters, der ein deutscher Pilot war und am 25. Februar 1945 in Wrocław starb, dokumentarisch belegen lässt. Er fragt außerdem, ob irgendwelche Fotos und Urkunden erhalten geblieben sind. "Er hieß Albrecht Voll und ich habe ein Foto von ihm, falls es hilft".

Ein Osnabrücker entschuldigt sich, dass er nicht auf Polnisch, sondern auf Englisch schreibt: "Mein Vater Heinz Ulbrich kam in Breslau im Jahr 1925 auf die Welt. Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte er in Hessen, in der Nähe von Marburg und starb 1979. Ich möchte nun gerne mehr über den Ort erfahren, an dem er geboren war, vor dem Krieg lebte, über seine Familie in Breslau etc. Können Sie mir helfen?".

Eine andere Person sucht die Geburtsurkunde ihres Urgroßvaters, Dr. Jan Werner, der am 21. September 1902 in Breslau geboren wurde.

Sieben Tausend Einträge

Ausländer, die Informationen über ihre Großeltern oder Urgroßeltern aus dem Wrocław der Vorkriegszeit suchen, können mit Unterstützung des Wrocławer Standesamtes (poln. Urzad Stanu Cywilnego) rechnen. Sie können ihre Anfragen auf Deutsch oder Englisch verfassen. Das Standesamt bestätigt, dass sich in den letzten Jahren hunderte von Menschen aus dem Ausland bei ihnen melden, mit der Bitte um Informationen über Verwandte, die im Wrocław der Vorkriegszeit lebten oder starben.

- Im Standesamt werden mehr als eine Million deutscher Standesamtakten aufbewahrt, es sind die größten Bestände in ganz Polen. Pro Jahr betätigen wir ca. 7 Tsd. Einträge in den Geburtsurkunden von Personen, die in Breslau auf die Welt kamen und im Ausland, z.B. in Deutschland starben – bestätigt Henryk Kalinowski, Leiter des Standesamtes. Die meisten Anfragen bekommen sie aus Deutschland oder den USA, von Personen, die diese Informationen für genealogische Untersuchungen oder Erbangelegenheiten benötigen. Das Standesamt in Wrocław darf die Urkunden ein Hundert Jahre lang aufbewahren, anschließend werden sie an das Staatsarchiv übergeben.

Wo ist das Grab der Vorfahren?

Ausländer wenden sich in ihrer Suche auch an das Stadtmuseum. – Jährlich melden sich bei uns mehr als hundert Menschen aus der ganzen Welt mit der Bitte um Hilfe bei der Identifizierung z.B. eines alten Straßennamens oder der Adresse eines bestimmten Gebäudes. Sie möchten wissen, auf welchem Friedhof ihr Vorfahre begraben liegt, wo sich sein Grab befindet. Zuletzt hat jemand gefragt, wie vor dem Krieg irgendeine Schule hieß – erzählt Ewa Pluta, Pressesprecherin des Museums.

Meistens sind des Nachkommen jüdischer Bewohner des alten Wrocławs – sie schreiben aus Deutschland, den USA, Brasilien, Israel oder sogar aus Neuseeland. Die Pressesprecherin des Museums gibt zu, dass sich die meisten Fragen auf den jüdischen Friedhof beziehen und dass es am leichtesten für die Museumsmitarbeiter ist, diese Informationen zu bekommen, wenn die Vorfahren des Fragestellers einer bekannten Familie angehörten, z.B. wenn ihre Mitglieder im Stadtrat saßen oder bekannte Wissenschaftler waren. – Oft finden wir selbst während dieser Spurensuche zufällig irgendetwas Interessantes, wovon wir vorher nichts wussten - bemerkt Ewa Pluta.

Oft schicken sie die Nachfahren der alten Wrocławer an andere Institutionen weiter: an die Bibliothek auf dem Sande (Biblioteka na Piasku), in der Adressbücher der alten Stadt Wrocław aufbewahrt werden (Adressbuch Stadt Breslau), die Universitätsbibliothek, das Staatsarchiv oder das Arsenal, wo wiederum die alten Baudokumente gesammelt werden (Karten, Pläne, Fotoaufnahmen der Bauten, durch die Baupolizei Breslau bis 1945 gesammelt) – Die Nachfahren der alten Wrocławer kommen dann oft persönlich bei uns vorbei, mit einigen von ihnen bleiben wir auch später im Kontakt – fügt die Pressesprecherin hinzu.

Sie weinen vor Freude

Seit mehr als 7 Jahren hilft Piotr Szereda von der Wrocławer Stadtpolizei Ausländern, nach Spuren ihrer Ahnen zu suchen. Es ist seine Leidenschaft, für die er sich sogar sehr gut die deutsche Sprache beigebracht hat. Er übersetzt Schriftstücke – sogar einige aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, fährt zu verschiedenen Orten in Wrocław und Umgebung, spricht mit den jetzigen Besitzern der ehemaligen deutschen Häuser, macht Fotos, Filmaufnahmen und schickt sie dann den Nachfahren. – Sie sind mir sehr dankbar, weil sie nicht wissen, wo sie nach den Dokumenten suchen sollen. Einige von ihnen, wenn wir beispielsweise die Gräber suchen, haben Angst, aus dem Auto auszusteigen und sind sehr überrascht, dass die Polen trotz der schmerzhaften Kriegsgeschichte ihnen so gerne helfen - sagt Piotr Szereda, der sich mit Ausländern, die nach Spuren suchen, über die Seite www.breslau-wroclaw.de kontaktiert.

Silvia wollte wissen, ob der Betrieb (Breslauer Eiswerke) ihres Großvaters und das Haus in der heutigen ul. Wilcza erhalten geblieben sind. Das Gelände gehört jetzt einem Bauunternehmer, der die Fabrikgebäude abreißen ließ, erhalten hat sich allerdings – die mittlerweile denkmalgeschützte Familienvilla. - Silvia kam mit ihrem Sohn und einem Blumenstrauß dorthin. Im Inneren des Hauses brach sie in Tränen aus. Dann fuhren wir zur Jahrhunderthalle und als sie diese erblickte, lief sie davon. Ihr Bruder musste während eines Hitlerbesuches an der Halle stehen und trommeln. Als er keine Kraft mehr hatte, wurde er von dem Offizier, der die Truppe bewachte, mit der Peitsche geschlagen – erzählt Piotr Szereda. Die Deutschen, die ihn besuchen, haben oft solch traumatische Erinnerungen.

Herr Piotr hilft ihnen nicht nur bei der Suche. – Einmal habe ich auf die Bitte eines Nachfahren aus den USA etwas Erde vom Friedhof in Chrząstawa Wielka gesammelt und ihm geschickt. Es sollte ein Geschenk für seine Mutter aus der alten Heimat werden. Sie weinte vor Freude – erinnert er sich. Ein anderes Mal scannte er eine Doktorarbeit eines Breslauer Juden ein, die dieser an der Jurafakultät der Universität Breslau verteidigt hatte, und schickte diese an die Nachfahren in den USA. Es sollte ein Geschenk für seinen Enkel werden, der nach Jahren an einer amerikanischen Hochschule eine Diplomarbeit über dasselbe Thema wie der Großvater verfasste. Piotr Szereda betont, dass das Entdecken der Vergangenheit die Menschen verändert. – Etwas bricht nach diesen Treffen in ihnen, in den Deutschen als auch in den Polen. Wir lernen uns kennen, legen Vorurteile beiseite. Schließlich sind wir Nachbarn und sollen uns gegenseitig helfen.

Wo kann man nach Informationen über Vorfahren suchen?

  • Standesamt in Wrocław (poln. Urząd Stanu Cywilnego we Wrocławiu)
  • Staatsarchiv (poln. Archiwum Państwowe), Dokumente bis 1913
  • Stadtmuseum in Wrocław (poln. Muzeum Miejskie we Wrocławiu)
  • Städtisches Arsenal (poln. Arsenał Miejski), Bauurkunden bis 1945
  • Universitätsbibliothek, Bestände auf dem Sande (poln. Biblioteka Uniwersytecka - Zbiory na Piasku), dort u.a. Adressbuch der Stadt Wrocław
  • Universitätsbibliothek - Archiv
  • www.breslau-wroclaw.de
  • www.dolny-slask.org.pl
Zdjecie Eliza Głowicka - Wolska

Eliza Głowicka - Wolska