Unbekanntes Wrocław: die Markthalle durchs Hinterzimmer
Unzählige Stände, Farben und frische Produkte. Stimmengewirr und ein Innenraum voll von architektonischen Schätzen. Die Magie der denkmalgeschützten Markthalle in der ul. Piaskowa verzaubert seit mehr als hundert Jahren. Immer öfters wird sie dabei nicht nur von lokalen Kunden, sondern von Touristenmassen besucht. Wir hatten die Gelegenheit, einen Blick durch das Hinterzimmer, in den Hinterbereich zu werfen.
Die Architekturperle
Die Markthalle wurde von Richard Plüddemann in den Jahren 1905 - 1906 entworfen und 1908 – 1909 errichtet. Erbaut wurde sie auf der Stelle des ehemaligen Sand-Arsenals, dessen Mauerreste sind noch in der Nordfassade der Halle zu sehen.
Von Anfang an galt sie als besonders modern. Die Architekten stellten ihre Konstruktion auf Eisenbetonbögen, die damals noch selten verwendet wurden. Auf diese Weise wurde das Gebäude besonders stabil. Die Konstruktion stützt sich auf einem Gerüst aus Eisenbeton, die Wände sind gemauert. Das Gebäude besteht aus drei langgestreckten Schiffen. Im Inneren befindet sich ein Zwischengeschoss. An der Seite von ul. św. Ducha und ul. Piaskowa erstreckt sich ein ca. ein Meter hoher Granitsockel. Die Außenwand besteht teilweise aus Backstein, die Südseite wurde verputzt. Die Fensterrahmen sind aus Stahl. Der Bau verfügt über zwei Türme und eine Uhr.
Das Baudenkmal hat den Krieg überstanden
Viele Architekturelemente der Halle wurden auf die Denkmalliste eingetragen. Angefangen von den Jugendstilhauptportalen aus Sandstein, über Reliefs, Stadtwappen und Uhren bis hin zu Balustraden, Treppen und sogar Gitter der Fleischständer, die ebenfalls im Jugendstil errichtet wurden.
Wir können sie besichtigen, weil die Halle in der ul. Piaskowa während des Kriegs weniger in Mitleidenschaft gezogen wurde als ihr Zwillingsbau in der ul. Kolejowa. Nach dem Krieg wurde sie bereits im Jahr 1948 als Markthalle benutzt. Später, im Jahr 1983, wurde sie vom Gebäudeverwalter, der Firma Społem PSS Północ grundlegend renoviert.
Gearbeitet wird noch vor Sonnenaufgang
Das Leben in der Markthalle beginnt noch vor dem Sonnenaufgang. Frisches Fleisch und Blumen werden manchmal schon um 3 Uhr in der Früh geliefert. Im Untergeschoss der Halle befinden sich Lager, die Warenaufzüge beginnen mit ihrer Arbeit, es gibt auch einen speziellen Raum, in dem das Fleisch sortiert und verarbeitet wird. In die Räumlichkeiten haben nur diejenigen Zugang, die Fleisch und Wurst verkaufen. Dort zerteilen z.B. die Metzger die gelieferten Schweinehälften. Sie trennen frische Schulterstücke, Filets, schneiden das Fleisch für den Schinken aus. All das, um dem Kunden am Stand stets frische und beste Ware bieten zu können. – Es stimmt, das Fleisch ist hier immer frisch aber auch die Warteschlangen sind lang. Ich komme mindestens drei Mal in der Woche in die Halle zum Einkaufen – sagt der Breslauer Zbigniew Włoszyński.
Die Kunden kommen in die Halle nicht nur um Fleisch zu holen. Viele kaufen Blumen, Obst, frisches Gemüse und Lebensmittel. Man sieht dort auch massenweise Touristen, die einkaufen, fotografieren und die Architektur bewundern.
Hinter der Uhr
Wir begeben uns dann an einen Ort, den die Kunden und Touristen nicht kennen. Unser Führer ist Eugeniusz Chmielewski, langjähriger Leiter der Markthalle. Unten in den Lagern waren wir schon, nun wird es also Zeit, nach oben zu gehen. Wir beginnen mit dem höheren Turm, auf dem sich die Uhren befinden. Man betritt ihn durch eine versteckte Tür im Obergeschoss der Halle und weiter durch eine Wendeltreppe aus Metall. Der Turm wird selten betreten und der Raum in dem wir uns befinden, hinter den Uhren, ist in der Tat außergewöhnlich. Durch schmale Treppen steigen wir auch auf das Dach, von dort sieht man sehr gut die Reihen der metallumrahmten Fenster und die Bauten in der Nachbarschaft der Halle. Sehr beeindruckend präsentieren sich von oben die Sandbrücke/ Most Piaskowy, das Gebäude der Polnischen Philologie der Breslauer Universität auf dem pl. Nankiera oder die griechisch-katholische Kathedrale hl. Vinzenz und Jakobus.
Im niedrigeren Turm gibt es nicht so viel Platz, denn dort wurde die Belüftungsanlage eingebaut. Die riesigen Maschinen pumpen die Luft hinein. Vom Dach auf dieser Seite eröffnet sich ein Blick auf die ul. Świętego Ducha. Unterwegs zeigt uns noch der Hallenleiter die deutschen Warenaufzüge, wir können auch die Eisenbetonpfeiler aus der Nähe betrachten. Schließlich begeben wir uns zurück in das Erdgeschoss der Halle, in ihr sonnendurchflutetes, buntes, lautes und duftend
Janusz Krzeszowski